90 Aus der Mongolei – von den ersten Momenten in Ölgii


Unterrichten in der Mongolei – Paul Herger von den ersten Momenten in Ölgii

Ohne Vorbereitung steige ich am 26. August in Zürich in ein Flugzeug. Nach X Stunden Reisezeit komme ich um fünf Uhr morgens am Flughafen in Ulaanbaatar an – mein Gepäck leider nicht.  Als ich vergeblich einen Lost-and-Found-Schalter suche und die wenigen anwesenden Flughafenmitarbeiter bloß mongolisch oder russisch sprechen, verlässt mich die anfängliche Euphorie. Weiter in meiner Unterkunft wird es nicht besser: Kleines, schäbiges Bett mit Gemeinschaftsdusche, Lärm bis spät in die Nacht und weder Duschtuch noch Zahnbürste dabei.

Am nächsten Tag trifft auch endlich mein Koffer ein und ich sehe mich in Ulaanbaatar um. Viel gibt es nicht zu berichten, eine moderne Millionenstadt wie jede andere, zumindest im Zentrum. Die chaotische Verkehrsführung, der ständige Stau und die schlechte Luft lassen jedoch erahnen, dass diese Stadt viel zu schnell und planlos gewachsen ist und mit gewaltigen Problemen zu kämpfen hat. Ein Blick vom Zaisan auf die abertausenden Jurten in den äußeren Ringen der Stadt bestätigen diesen Eindruck.

Nach ein paar Tagen in der Hauptstadt geht es endlich weiter nach Ölgii – in den Wilden Westen oder ans Ende der Welt, wie es meine neue Chefin nennt. Die kleine Propellermaschine rattert früh am Morgen los und nach gut drei Stunden erreichen wir das erstaunlich weitläufige Dorf. Der Anblick übertrifft meine kühnsten Vorstellungen. Die gewaltige Weite des bergigen Landes, die karge Beschaffenheit des Bodens und die bedrohlichen Wolken, die sich über den Gipfeln türmen, lassen mich ehrfürchtig erstarren.

Am Flughafen werde ich von den Herren Jolaushibai und Güven, den zwei Direktoren meiner neuen Schule, und Aygerim, einer kasachischen Deutschlehrerin, herzlich empfangen. Sie nehmen mir mein Gepäck ab und bringen mich zu meiner neuen Wohnung, die ich so nicht erwartet hätte: zwei geräumige Zimmer, fließendes Wasser, eine eigene Toilette und Zentralheizung.  Anschließend besichtige ich endlich zum ersten Mal meine neue Schule. Auch diese überrascht mich positiv: Schöne und vielseitig dekorierte Zimmer mit Beamern, eine integrierte Turnhalle, Schlafräume für die ärmeren Kinder und ein sehr großzügiger Schulhof. Dass das Schulhaus dreimal kleiner ist als der Berghof (Schulhaus in Wolhusen), aber dreimal mehr Schüler fasst, fällt momentan überhaupt nicht auf.

Gut gelaunt und motiviert für das kommende Jahr bringen mich die zwei Direktoren zurück in mein Appartement und verabschieden sich von mir. Erschöpft von der Reise und dem erlebnisreichen Tag will ich mich erst einmal ein bisschen ausruhen. Vergeblich versuche ich das Licht anzumachen, denn Strom gibt es erst in drei Tagen (so, oder so ähnlich hat der Direktor gesagt). Auch ein richtiges Bett muss erst noch organisiert werden und die Toilettenspülung funktioniert leider auch noch nicht. Wenigstens ein Sofa steht da noch herum. Ich lege mich endlich hin und schlafe schnell ein.

Zum Autor:

Paul Herger hat sechs Jahre an der Sekundarlehrer Berghof/Wolhusen als Klassenlehrer in diversen Fächern unterrichtet. In diesem Jahr arbeitet er im äußersten Westen der Mongolei in einer kleinen Stadt namens Ölgii als Deutschlehrer an der Zayed Secondary School.